2016 Projekte Statement Texte

Ort der Demokratie



Prof. Dr. Klaus Brake
Ort der Demokratie und der Politischen Debatten – konkret!
Statement Mitte-follow-up-Veranstaltung am 15.03.2016 in der RLS
Die Berliner Mitte ist mit dem Roten Rathaus ein wichtiger Ort der Demokratie und politischen Debatte. Hier findet Begegnung und Dialog zwischen Bürger*innen und Politik statt. Der Raum vor dem Roten Rathaus ist ein Versammlungsort, Platz für Kundgebungen und Demonstrationen, mit Informations- und Arbeits-Möglichkeiten bietet er Raum für Aktivitäten von Einzelpersonen und bürgerschaftlichen Initiativen.

Das ist die zentrale Botschaft der Bürger-Leitlinie 3:
So – unter anderem – soll demnach die Berliner Mitte zukünftig erlebt werden können.
Soweit die Idee. Das ist noch ziemlich vage formuliert – und sollte konkreter werden, um auch im Hinblick auf die Vorbereitung eines Wettbewerbs Mißverständnissen vorzubeugen bzw. Implikationen zu klären.
Worum geht es?
Ich möchte gerne darlegen, wie ich diese Bürger-Leitlinie verstehe, wenn ich mir (und anderen) deutlich machen möchte, wie man/ frau sich das praktisch vorstellen soll.
Es soll um einen Ort der Kommunikation kommunaler Politik gehen, im Dialog mit der verfaßten (repräsentativen) Politik der Stadt.
„Bürgerschaftliche Mitverantwortung» wird dafür das Format der Zukunft.
Das markiert einen veränderten Modus von Politik. Ursachen dafür sind insbesondere:

  • die Heterogenisierung der Lebensverhältnisse bzw. Interessenlagen, insbesondere der Stadt-Gesellschaft
  • das Bedürfnis an – auch lokaler – Identität (was ist / wird meine Stadt?) und
  • die Beschleunigung der Ereignisse, die politisches Handeln erfordern.

Die Vielzahl bürgerschaftlicher Initiativen, wie wir sie erleben, erklärt sich daraus auch für die weitere Zukunft.
Für diese neue Art kommunaler Demokratie und politischer Debatten wird also ein deklarierter Ort in der Mitte unserer Stadt vorgeschlagen. Auch ich plädiere dafür.
Warum aber ein solcher spezieller Ort?
Ideen für die Entwicklung und Gestaltung unserer Stadt entstehen aus den Alltagserfahrungen in der Stadt. Entsprechende Initiativen sollen einen gemeinsamen Ort finden können, an dem sie sich bilden, sich formieren und von dem aus sie aktiv werden. Wo man / frau Gleichgesinnte treffen und Erfahrungen anderer sammeln kann. Das meint diese Bürgerleitlinie. Dafür also soll es einen speziellen Ort geben in der Mitte unserer Stadt.
Wie müßte ein solcher Ort konzipiert und gestaltet sein?
Es soll – wie gesagt – um einen Ort des Dialogs gehen, und zwar um einen
realen Ort, nämlich der Auseinandersetzung face-to-face: gemeinsame initiative Vorhaben von Leuten, die sich ansonsten garnicht so gut kennen, brauchen unbedingt Vertrauensbildung untereinander – erst recht bei ansich vorherrschenden online-Aktionsformen wird das ein Bedürfnis.
Es geht um einen
festen Ort, mit dem man / frau bei dem Anliegen, initiativ zu werden, rechnen kann.
Es geht um einen
verabredeten Ort, der in unserer Stadt für genau solche Initiativen in Anspruch genommen werden kann, wo man / frau mit ihren Anliegen am richtigen Ort sind: ein allseits akzeptierter und ausgewiesener Artikulations-Ort politischer Debatten und Projekte, ein verläßlicher Ort dafür. (> «speakers corner»)
Es geht um einen
zentralen Ort, nämlich für das, was ganz Berlin betrifft und deshalb auch an den Senat adressiert wird – unabhängig von den diversen örtlichen Initiativen, die sich – der dezentralen Struktur Berlins entsprechend – in den Bezirken bzw. Quartieren bilden.
Es geht um einen
arbeitsfähigen Ort, denn Initiativen müssen sich ja auch artikulieren, ihre Programmatiken und Aktionen konkret vorbereiten: möglich sein müssen also Treffen, Besprechungen, Austausch, Recherchen, Informationen etc.. Das kann qualifiziert nicht immer in Wohnküchen oder Kneipen stattfinden.
Bei dem Ort, wie er hier gebraucht wird, geht es ganz praktisch um folgendes:
Um Gelegenheiten für mindestens 3 Aktivitäts-Formen:
(1) für Informationen zur Kontaktaufnahme mit anderen BürgerInnen (Hinweise / Info´s / Aufrufe / Fragen / Adressen etc.):
das wäre die «Berlin-Pinwand».
(2) geht es um Gelegenheiten für Treffen, wie

  • meetings / zum Ausarbeiten von Materialien etc.,
  • Besprechungen / workshops o.ä. bzw.
  • Veranstaltungen / Versammlungen / Manifestationen:

das wäre ein flexibles aber permanentes «StadtForum Berlin», offen für jederman.
(3) kommt noch hinzu: die Möglichkeit, mit Informationen umzugehen, und zwar zum einen: mit interaktiven Informations-Tools über Berlin zu arbeiten (Geschichte / Aktuelles)(z.B. als Satelliten von ZLBibliothek / HumboldtForum / Stadtmuseum / etc.)(für den Zugriff auf Literatur / Materialien / Stadtmodelle etc.); zum anderen, über entsprechende bürgerschaftliche Aktionen zu berichten (Präsentationen / Ausstellungen etc.):
das wäre ein «BerlinPavillon».
Soweit einige praktische Voraussetzungen, die den Ort der Demokratie und politischen Debatten erst arbeitsfähig machen.
Damit geht es desweiteren um einen
sichtbaren Ort in diesem Gebiet von «Mitte». Ein überdachter Platz kann dazu beitragen: er ist wichtig für Versammlungen / Darbietungen bei jedem Wetter, offen und vis-a-vis zum Roten Rathaus.
Es geht um einen Ort gerade dort – und nicht anderswo in der Mitte Berlins (z.B. auf dem Alex), indem das Rote Rathaus wieder Zentrum einer demokratischen Stadtpolitik ist. Der Ort der Demokratie und der politischen Debatten konzentriert sich dabei auf einen ganz bestimmten Teilbereich innerhalb des gesamten Geländes, über das wir hier ersteinmal – etwas verkürzt – als «Mitte» sprechen, und im Zusammenwirken mit seinen weiteren Widmungen (nämlich durch andere Bürgerleitlinien, wie z.B. das Plädoyer für einen uneingeschränkt öffentlichen Raum).
Und schließlich geht es um einen
selbständigen Ort: «öffentlich zugänglich und nutzbar» (BL 3) (und unentgeltlich), d.h institutionell wäre das ein selbstverwaltetes Zentrum als Stiftung.
Also nochmal auf den Punkt gebracht:
Der Ort der Demokratie und politischen Debatten in der Mitte unserer Stadt ist der Ort des Dialogs der kommunalen Politik in bürgerschaftlicher Mitverantwortung, und zwar
auf Augenhöhe mit der verfaßten Politik, also mit einer entsprechenden Qualität, was Themen und deren Verhandlung betrifft.
Wer bürgerschaftliche Mitverantwortung ernst nimmt, muß an einem solchen Ort – allein schon als einer Art von «Aktions-Infrastruktur» – interessiert sein.
Mitte als Ort der Demokratie und der politischen Debatte also:
sichtbar, transparent, arbeitsfähig und autonom.