Mitte

Mitten in unserem Gemeinwesen:
ein Forum der Stadt – wo Berlin bei sich selbst ist

Prof. Dr. Klaus Brake
In: Berlins vergessene Mitte, Berlin 2010, S. 212f. [ PDF ]

Das Gelände zwischen Alexanderplatz und Spreeinsel, zwischen Rathaus und Marienkirche präsentiert sich als ein höchst unbestimmter Raum. Er motiviert zum Durchgehen, weniger zum Verweilen. Dafür mangelt es ihm an etwas, womit er ein unverwechselbares und ansprechendes Ziel sein könnte.
Dieser Raum braucht ein anziehendes Angebot, ihn zu nutzen, sich anzueignen. Was aber macht Sinn für Berlin an dieser Stelle seiner Mitte?
Historisch gehört dieser Ort zur Keimzelle der Stadt. Aktuell offenbart er die Verwerfungen dieser Stadt. Im Innern leer, ohne genuine Inhalte, an die sich anknüpfen ließe, ringsum aber umtost vom Sound der Metropole und umgeben von Signalen der Geschichte und der Mächte: Dom, „Humboldt-Schloss“ , Rotes Rathaus, Fernsehturm in der ersten Reihe, dahinter in vielerlei Sichtachsen Museen, Staatsoper, Bauakademie-Fassade, ehemaliges Staatsratsgebäude, Stadthaus und der Ort der Frauenaktion gegen die SS in der Rosenbergstraße – nur Marienkirche und Marx-Engels, Verheißungen und Erklärungen, die sind hier ganz nah.
Was bietet sich damit an für diesen Ort? Ein Panorama, um Revue passieren zu lassen, was Berlin darstellt. Sinn macht hier ein ruhiger Ort für den Blick der Stadt auf sich selbst.
Ist die erste Frage: „Wo kommt unser Gemeinwesen her? “, dann sind dafür Kommunikationsmöglichkeiten wichtig über die Geschichte der Stadt, wie sie von diesem Ort ausging und ihn veränderte. Gebraucht würden Gelegenheiten für Information und Austausch darüber, d.h.: Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen z.B. für Spezial-Präsentationen des Stadtmuseums zur Geschichte Berlins, für die Abteilung Berlin-Studien der Zentral- und Landesbibliothek oder für bezirkliche Initiativen und Gelegenheiten für Diskussionen darüber, für Verabredungen zu Exkursionen – life oder online – zu interessierenden Themen und Orten: eine aktivierende Geschichtswerkstatt.
Und ist die zweite Frage dann: „Wo geht sie hin, diese Stadt?“, dann sind Informationen hilfreich über weitere Entwicklungen, Ziele, Planungen, Visionen und Vorhaben (in) der Stadt. Auch hierfür wären Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen sinnvoll, um darüber ins Gespräch zu kommen, wie hier umgegangen wird mit den ebenso epochalen wie alltagsweltlichen Herausforderungen derzeit – ob Migration, Klimawandel, Demographie, lokale Ökonomie, Mobilität oder Bildung. Hier können zukünftig die Stadtmodelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung stehen, Themen-Werkstätten stattfinden, sich die Berliner Bezirke darstellen, lokale Initiativen präsentieren, lokale wie internationale Diskussionen über Berlins Zukunft, Rolle, Gestaltung und Politik stattfinden und Verabredungen für weiteres Engagement getroffen werden: eine aktivierende Zukunftswerkstatt.
Und beides im StadtForum.
Das ist ein produktiver Kontrapunkt zum benachbarten Humboldt-Forum: dort ein Innenraum für den Dialog mit der Welt draußen – hier ein Außenraum für den Dialog mit Zuhause: Berlin in der Welt und die Welt in Berlin als praktizierte „Glokalisierung“.
Wie also müsste dieser Raum demnach ausgestattet sein? Mit derartigen Gehäusen und Bühnen für das StadtForum, konzentriert und kontrastierende zu einer innerstädtischen Landschaft. Weitere Bebauung mit anderer Widmung muss es hier nicht geben. Natürlich noch Aufenthaltsmöglichkeiten zum Verweilen, Essen, Trinken, Lesen, zum Spielen auch mit Kindern. Und auf dem Boden Markierungen über Straßenverlauf und Bebauung hier in früherer Zeit als Zitate der Geschichte dieses Ortes. Mehr ist hier nicht vonnöten. Umso herausfordernder wird die städtebauliche Gestaltung: unverwechselbar muss der Ort werden, weit mehr als eine Kreuzung aus Themenpark und Gartenschau – und mitten drin vielleicht ein weithin sichtbares Zeichen, das Berlin bedeutet und darauf orientiert: „Hier geht es um unser Gemeinwesen!“
Das StadtForum bleibt erst recht eine ungewöhnlich leere Mitte einer zutiefst europäischen Stadt mit ihrer ganz besonderen Geschichte vom immer wieder neu Werden: Dem entspricht ein dergestalt lockerer Ort dichter Fragen und Dialoge.