2024 Aktuell Kolloquium

Kolloquium — Urbane Transformationen [Rückblick]

 
 

©2024 · Frank Döring

Hermann Henselmann Kolloquium
Urbane Transformationen
Auftaktveranstaltung der neuen Reihe
23. November 2024 / Rosa-Luxemburg-Stiftung/Saal

 

 
 
 
 

Urbane Transformationen – Rückblick auf das Hermann-Henselmann-Kolloquium 2024
Wieder über einen ganzen Samstag im Tagungssaal des RLS Neubaus, mit mehr als 70 gleichermaßen neugierigen und ausdauernden Teilnehmerinnen und Teilnehmern, hochkarätigen Beiträgen und einer lebhaften Debatte – das war das diesjährige HHS Kolloquium am 23. November 2024.
Mit dem Start einer neuen thematischen Reihe hat die HHS ihr inhaltliches Spektrum ausgeweitet. Nachdem sie sich in mehreren Kolloquien und Veröffentlichungen dem städtebaulichen Erbe der Nachkriegszeit und der Bildung von Groß-Berlin gewidmet hat, bildet das Kolloquium 2024 den Auftakt zur Auseinandersetzung mit den aktuellen und künftigen gesellschaftspolitischen Umbrüchen in ihren Auswirkungen auf die gebaute Lebensumwelt.
 
Das Feld ist weit, also ging es beim Auftaktkolloquium darum, den Rahmen abzustecken und in der Debatte wesentliche Trends, Handlungsfelder und Akteurskonstellationen auszuloten. Die Mitglieder des HHS Vorstands Florentine Anders und Stefan Thimmel moderierten die Veranstaltung.
Den ersten Tel des Kolloquiums bestritten Akteur:innen der HHS. Die Vorsitzende Katrin Lompscher verwies in ihrem Einführungsbeitrag auf die widersprüchliche und unsichere gesellschaftspolitische Lage in Deutschland und der Welt, auf allgemeine Trends der Stadtentwicklung und notwendige Veränderungen. Angesichts dessen ist die Frage bedeutsam, wie können Transformationen gelingen, was ist aus vergangenen Umbrüchen zu lernen und wie sind sie zu beeinflussen? Clemens Helmke, Mitglied des Beirats der HHS erläuterte anhand von Beispielen aus Henselmanns Werk die Wandlungen seines Stils vor dem Hintergrund der seinerzeitigen historischen Umbrüche. Matthias Grünzig, ebenfalls Mitglied des Beirats gab mit seinem Referat über Grünplanung im geteilten Berlin der Nachkriegszeit ein erstes Beispiel für tatsächliche urbane Transformationen. Er beleuchtete dabei das Handeln zentraler Akteure (Walter Rossow und Rolf Schwedler im Westen, Hermann Henselmann im Osten) und hob die Bedeutung staatlicher Eingriffe insbesondere bei der Bodenpolitik hervor.
 
Es folgte der inhaltlich zentrale Themenblock zu städtischer Obsoleszenz, zur Gesellschaftlichkeit von Raum und zu Praktiken urbaner Reparatur. Prof. Stefan Rettich von der Universität Kassel veranschaulicht an Beispielen, wie bauliche Strukturen für Verkehr, Einzelhandel, Religion, Produktion etc. durch gesellschaftliche Veränderungen obsolet werden und welche Potenziale für die Stadt der Zukunft daraus erwachsen. Dafür braucht es neben einer genauen Raumbeobachtung immer Eingriffe in reine Marktprozesse. Prof. Dagmar Pelger, ebenfalls Universität Kassel, sprach zur Stadt als Gemeinwesen (Urban Commons), d.h. zu Räumen und Modi des Gemeinschaftlichen in der Stadt. Wichtig dabei ist, nicht nur auf den Unterschied von Staatlich und Privat schauen, sondern auch auf Klub (exklusiv) und Commons (inklusiv). Es geht um eine Balance der Transformation für wen und durch wen. Prof. Florian Hertweck von der Universität Luxemburg erläuterte historische und theoretische Ansätze der “Reparaturgesellschaft”. Dabei bezog er sich auch auf das Berliner Beispiel der Instandbesetzungen, städtische Flächenpotentiale und Möglichkeiten ihrer Umnutzung. Das Feld Architektur befindet sich in der Krise/Umorientierung, da traditionelle Raumproduktion enorm klimaschädlich und damit unhaltbar geworden ist.
 
Daran anknüpfende Beiträge von Architects 4 Future (Judith Nurmann), der Plattform Nachwuchsarchitekt:innen (Yasser Almaamoun) und zu Projekten des Architekten- und Ingenieursvereins Berlin-Brandenburg (Christina Gräwe, Eva Krapf und Lars Hopstock) wurden konkreter und lenkten den Blick auf Berlin. Es geht mit Blick auf die schlechte Klimabilanz des Bauens darum vom traditionellen Bauen zum Umbauen zu kommen, mit nachwachsenden Rohstoffen, in zirkulärer Weise und Abrisse weitgehend zu vermeiden. Für Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung sind die Abkehr von der autogerechten Stadt und der Umbau des öffentlichen Raums zentral. Hierfür hat das AIV-Projekt «Berlin und seine Straßen» in einer prominent platzierten Ausstellung Beiträge und Denkanstöße geliefert. Beim Schinkelwettbewerb 2024 des AIV für junge Planer:innen «über:morgen» wurden ebenfalls viele Arbeiten zu Umbau und Nachhaltigkeit in unserer Region vorgelegt.
 
In den lebhaften Diskussionen zwischen den Beiträgen und zum Abschluss wurde mehrfach betont, dass die Bodenfrage für städtische Transformationen besonders wichtig ist. Transformation ist kein neues Phänomen, Diskussionen und Projekte laufen seit mindestens den 70er Jahren, allerdings besteht derzeit kein Momentum für Veränderung wie damals. Und der Widerspruch zwischen Wachstumsmodell und Gemeinwohl wächst. Um gesellschaftliche Veränderungen dennoch anzustoßen, werden Prototypen und erfolgreiche Projekte gebraucht. Für die Städte ist eine neue Herangehensweise an öffentlichen Raum statt vorrangig Verkehrsraum zentral. Die vielfach vorhandene Expertise gilt es interdisziplinär zu bündeln und auf zukunftsträchtige Umbauprojekte zu fokussieren.
Die Kooperation mit Helle Panke e.V. und erstmals mit dem kommunalpolitischen forum e.V. hat gut funktioniert, ebenso wie die technische Unterstützung durch Personal der RLS und das Catering. Dafür sagen wir danke an alle Beteiligten und freuen uns aufs nächste Mal.